Jahresbericht 2023
Sehr geehrte Leser*innen,
gehören auch Sie zu den rund 350 Millionen Europäer:innen, die mit ihrer Stimme über die politische Ausrichtung Europas mitbestimmen durften? Wie geht es Ihnen damit? Vermutlich bin ich nicht alleine, wenn ich gestehe, dass sich nach der zweitgrößten demokratischen Wahl der Welt am 9. Juni 2024 noch kein richtiges Hochgefühl einstellen möchte. Dabei ist die Freiheit, unsere Meinung gerade auch über Wahlen äußern zu dürfen, ein unermesslich hohes Gut, das es zu nutzen, zu feiern – und zu schützen! - gilt.
Die Grundpfeiler des Grundgesetzes, das uns freie Medien und eine freie Meinungsbildung garantiert, scheinen mit ihren 75 Jahren Generationen weit weg zu sein von vielen Menschen, die sich stattdessen dem Populismus zuwenden – und damit einer Ideologie, die nur eine Meinung akzeptiert: die eigene. Einer Ideologie, die ausgrenzt, polarisiert und viele Errungenschaften unserer demokratischen Gesellschaft in Zweifel zieht.
Auch wenn sich das Erstarken populistischer Kräfte nicht allein den sozialen Medien zuschreiben lässt, so beobachten wir in unserer Arbeit doch einige Trends, die es in den Blick zu nehmen lohnt: Laut JIM-Studie 2023 werden Social-Media-Plattformen immer wichtiger für die Informationsbeschaffung junger Menschen, stellen teilweise sogar ihre einzige Informationsquelle dar. Aber gerade dort werden junge Menschen auch mit Desinformation, extremistischen Inhalten oder Verschwörungsmythen konfrontiert. Auf sozialen Medien trendet, was emotionalisiert und polarisiert. Einfache, monokausale Parolen erzielen mehr Reichweite als ausgewogene, journalistische Inhalte. Hass, Hetze und Desinformation schaffen Raum für extreme Meinungen – und schüchtern Andersdenkende ein.
Hier setzen unsere Aufgaben als Medienregulierung an. Sie haben das Ziel, eine Vielfalt an Inhalteangeboten zu gewährleisten und so eine vielstimmige und zugleich integrative Öffentlichkeit zu stärken. Eine Öffentlichkeit, die in der Lage ist, unterschiedliche Meinungen zu akzeptieren und immer wieder neu um einen Konsens zu ringen. Kurzum: Medienregulierung ist mehr denn je auch eine demokratiesichernde Aufgabe.
In der MA HSH setzen wir uns für Vielfalt ein, die bei den Menschen in Hamburg und Schleswig-Holstein auch ankommt.
- Mit unserem breiten Kooperationsnetzwerk mit Staatsanwaltschaften, Strafverfolgungsbehörden sowie über 130 Beratungsstellen arbeiten wir intensiv daran, Hasspostings nicht nur schnell zu löschen, sondern auch die Urheber:innen zur Rechenschaft zu ziehen. Allein im Jugendmedienschutzbereich wurden von uns im letzten Jahr über 5.000 Inhalte geprüft, gemeldet - und eine sehr hohe Prozentzahl von ihnen durch die Anbieter der sozialen Netzwerke zügig gelöscht.
- Mit einem Ideenwettbewerb in Schleswig-Holstein fördern wir lokale journalistische Innovationen und stärken als Partner von #UseTheNews die Rolle von Nachrichten im digitalen Zeitalter, unter anderem durch Newscamps für Jugendliche. Zudem arbeiten wir weiter daran, das Potenzial von Newsfluencer:innen bei der Meinungsbildung von jungen Menschen in sozialen Netzwerken zu heben – etwa durch eine positive Kennzeichnung journalistischer Inhalte verbunden mit einer entsprechenden bevorzugten Auffindbarkeit.
- Wir drängen die Anbieter sozialer Medien zu mehr Transparenz dahingehend, warum sie welche Inhalte anzeigen – notfalls auch vor Gericht. Denn um uns selbstbestimmt eine Meinung bilden zu können, ist es wichtig zu wissen, weshalb die einen Posts oder Videos angezeigt werden, während die anderen weniger Reichweite erhalten.
Dass gerade mit Blick auf Hass, Hetze und Desinformation weiterhin Handlungsbedarf besteht, ist keine Frage. Die Medienaufsicht ist dabei aber keine Einbahnstraße. Bei der Prüfung von vermeintlich unzulässigen Inhalten sind ebenso wie bei der Zulassung von Fernseh- oder Radioveranstaltern in jedem Einzelfall die Meinungs- und Rundfunkfreiheit zu beachten. Diese Grenzziehung ist nicht immer einfach, und ihr Ergebnis mag manchmal schwer zu ertragen sein.
Es ist daher unsere gemeinsame Aufgabe, immer wieder neu zu erklären und auch zu diskutieren, was von einer funktionierenden Demokratie ausgehalten werden muss, was zum Schutz unserer Verfassung untersagt werden darf und welche Rolle die Medienregulierung dabei einnehmen kann.
Denn eines gilt unverändert: In einer Demokratie darf die Vielfalt an Meinungen und Medien niemals aus der Mode kommen. Weil jede einzelne unserer Stimmen zählt.
Ihre
Eva-Maria Sommer
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2 Vielfalt, die ankommt
Eine demokratische Gesellschaft lebt vom Austausch und der Diskussion. Grundlage hierfür ist eine vielfältige Informations- und Nachrichtenbasis – auch und gerade auf regionaler und lokaler Ebene. Nur mit ihr sind Bürger:innen in der Lage, am demokratischen Gemeinwesen teilzuhaben und ihr Land mitzugestalten. Dank unserer föderalen Struktur sind wir nah dran an dem, was Medienhäuser und Bürger:innen bewegt. Wir machen uns stark für die Medienlandschaft in Hamburg und Schleswig-Holstein – für Vielfalt, die bei allen ankommt.
Demokratiesicherung, Prävention & Standortförderung
Das Ziel, die Demokratie angesichts der Herausforderungen von Desinformation, Hassrede und extremistischen Ansichten zu sichern, spiegelt sich in allen Facetten der Medienaufsicht wieder. Neben dem effektiven Vorgehen gegen Verstöße unterstützen wir präventiv Kinder und Jugendliche bei einem gesunden und souveränen Umgang mit digitalen Medien.
Medienvielfalt, die alle erreicht, ist in der digitalisierten Welt ziemlich herausfordernd. Flächendeckende journalistische Strukturen lassen sich immer schwerer refinanzieren. Gemeinsam mit Partnern vor Ort versuchen wir, Veränderungen wissenschaftlich zu begleiten und Lösungsansätze aufzuzeigen.
Ich freue mich sehr über die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Das gemeinsame Engagement im Kampf gegen Hass und Hetze ist wichtig. Denn es geht nur gemeinsam angesichts dieser zunehmenden Polarisierung, Radikalisierung und Desinformation.
Die Landesregierung will eine vielfältige Medienlandschaft in Schleswig-Holstein erhalten und stärken. Es gibt es immer weniger lokale und regionale journalistische Angebote. Die Abnahme dieser Medienvielfalt ist eine gewichtige Herausforderung für unsere Demokratie.
Alle Informationen und Themen finden Sie im vollständigen Bericht.
3 Nutzer:innenschutz
Jugendaffine Plattformen wie TikTok, YouTube, Instagram, Facebook, Steam & Co. sind eine Fundgrube für Desinformation, Hass und Hetze, Antisemitismus und zunehmend Rechtsextremismus. Seit Jahren melden wir strafbare Inhalte an die Plattformen. Um der Fülle an nach wie vor vorhandenen unzulässigen Inhalten besser entgegentreten zu können, kooperieren wir im Verbund der Landesmedienanstalten mit den Strafverfolgungsbehörden und nutzen auch die neuen Regulierungswege, die der Digital Services Act (DSA) eröffnet.
Inhalte, die auf Betreiben der MA HSH entfernt wurden
Prüffälle auf einen Blick
In 2023 wurden 7 (Hörfunk) beziehungsweise 23 (Fernsehen) Rundfunkfälle geprüft.
In 2023 wurden insgesamt 5.013 Inhalte im JMStV-Bereich geprüft. Bei 4.528 Inhalten wurde ein Rechtsverstoß festgestellt. In 3.706 Fällen wurden die Inhalte nach Hinweis der MA HSH gelöscht oder rechtskonform nachgebessert.
* (A/C) außerhalb geschlossener Benutzergruppen
Anbieterinformationen
Online-Nutzer:innen sollten unbedingt wissen, mit wem sie es zu tun haben. Dafür liefert ihnen die Anbieterkennzeichnung wesentliche Informationen. Sie ermöglichen es Online-Nutzer:innen unter anderem, bei Problemen ihre Rechte geltend zu machen. Sind die Angaben fehlerhaft oder fehlen sie gänzlich, ist eine Beschwerde bei dem/der Anbieter:in oder die Rückgabe von Artikeln nicht möglich – das Geld oft aber weg.
Werbekennzeichnung online
Alle Informationen und Themen finden Sie im vollständigen Bericht.
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Plattformen,
Intermediäre & Co.
Um Meinungsvielfalt und eine informierte Mediennutzung zu gewährleisten, braucht es Transparenz. Aus diesem Grund regeln Vorgaben im Medienstaatsvertrag, dass Auswahlentscheidungen der Anbieter von Medienintermediären transparent sein müssen. Anbieter von Medienplattformen und Benutzeroberflächen sind zudem erstens gehalten, Inhalteanbietern den Zugang diskriminierungsfrei und zu gleichen Bedingungen zu ermöglichen. Zweitens müssen sie gleichartige Angebote bei der Sortierung und Auffindbarkeit auf Benutzeroberflächen auch gleich behandeln. Diese Prinzipien gelten insbesondere auch für sogenannte Newsaggregatoren, die journalistisch-redaktionelle Inhalte verschiedener Anbieter bündeln, auswählen und den Nutzer:innen nach bestimmten Kriterien bereitstellen.
Auch im Bereich der Werberegulierung und der Anbieterkennzeichnung schützen die Vorgaben zu Transparenz die Nutzer:innen vor Irreführung und Betrug.
Auf all diesen Feldern sind wir aktiv.
Transparenz & Diskriminierungsfreier Zugang
Ein wichtiger Regulierungsbereich hinsichtlich Medienplattformen, Benutzeroberflächen und Medienintermediären sind Transparenzangaben. Diese verpflichten den Anbieter, Angaben zur Auswahl und Anordnung von Inhalten bereitzustellen. Für viele der großen Medienintermediäre – darunter Facebook, Instagram, Google, YouTube und TikTok – sind wir zuständig.
Vielfaltsförderung ist ein weiteres unserer Kernanliegen. Daher steht auch ein diskriminierungsfreier Zugang zu Medienplattformen im Fokus unserer Arbeit. Dies betrifft insbesondere eine behinderungsfreie Aufnahme und Sichtbarmachung der Anbieter innerhalb der Plattformen und Intermediäre.
Im Fokus: Newsaggregatoren
Die Bedeutung von Newsaggregatoren für den Nachrichtenbezug und damit auch für die Meinungsbildung der Bevölkerung nimmt stetig zu.
Alle Informationen und Themen finden Sie im vollständigen Bericht.
5 Bundesweite Zusammenarbeit
Die Aufsicht über den Rundfunk ist Ländersache. Allerdings machen Fernsehen, Hörfunk und vor allem das Internet nicht an Landesgrenzen halt, sodass die 14 Landesmedienanstalten als „die medienanstalten“ eng zusammenarbeiten – im Interesse der Gleichbehandlung privater Rundfunkveranstalter und der besseren Durchsetzbarkeit der Entscheidungen einzelner Anstalten.
Unterstützt werden wir bei unserer Arbeit zudem von den Kommissionen ZAK, KJM und KEK sowie der Gemeinsamen Geschäftsstelle in Berlin.
Alle Informationen und Themen finden Sie im vollständigen Bericht.
6 Die MA HSH
Die MA HSH ist die gemeinsame Medienanstalt der Länder Hamburg und Schleswig-Holstein. Das gesamte Spektrum unserer Aufgaben nehmen wir vor dem Hintergrund der Sicherung der Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit wahr, dabei agieren wir unabhängig und staatsfern.
Medien zu beaufsichtigen, aber auch bei der Transformation zu digitalen Geschäftsmodellen zu unterstützen, dafür steht die MA HSH mit der dort versammelten Expertise, ihrer lokalen Nähe zu Anbietenden und Nutzenden.
Weiterführende Links
Finanzierungsgrundlagen
Vollständiger Bericht
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